Deichverbände sind korporative Träger des Küstenschutzes an der (deutschen) Nordseeküste oder des Hochwasserschutzes an deutschen Flüssen. Deichverbände sind Wasserverbände mit der Spezialaufgabe Hochwasserschutz, oft kombiniert mit anderen wasserwirtschaftlichen Aufgaben, wie z. B. Gewässerunterhaltung oder Schöpfwerksbetrieb. Viele Wasser- und Bodenverbände blicken auf eine lange Geschichte zurück.
In Deutschland sind sie Körperschaften des öffentlichen Rechts, genauer gesagt eine Selbstverwaltungskörperschaft (Preußisches Wassergesetz vom 7. April 1913 und der Ersten Wasserverbandsverordnung von 3. September 1937), siehe auch Gesetz über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz) vom 10. Februar 1937.
Bezeichnungen
An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste (Nordfriesland und Dithmarschen) heißen diese Verbände seit 1941 größtenteils Deich- und (Haupt-) Sielverband, zwischen Elbe und Weser Deichverband, im Oldenburgischen Deichband und in Ostfriesland Deichacht.
In ländlichen Gebieten heißen die Vorsitzenden aus alter Tradition Deichgraf oder Deichgräfe und gehören damit zu den nichtadeligen Grafen.
Historischer Ursprung
Urformen waren wohl die Dorfgemeinschaft oder eine Anliegergenossenschaft. Es gab und gibt auch Bezirks- oder Regionalgenossenschaften, sowie auch Deichgilden. Vermutlich war seit jeher jeder Nutznießer der Genossenschaftsarbeit zugleich Zwangsmitglied.
Aus landschaftlichen Bedingungen ergaben sich unterschiedliche Schutzbedürfnisse. Niederungen brauchten den Deichbau als Schutz vor Außenhochwasser. Höhere Lagen brauchten den speziellen Graben- und Sielbau als Schutz vor Binnenhochwasser. Diese unterschiedlichen Interessen und Aufgaben führten zur Teilung in Deichverbände und Sielverbände. Man unterschied Deichverbände, Verbände mit natürlicher Entwässerung, Verbände mit künstlicher Entwässerung und Bewässerungsverbände. Hinzu kamen diverse spezielle Verbände, wie z. B. Mühlen- und Pumpenverbände.
Diese wasserwirtschaftlichen Verbände waren und sind Teil der Landeskultur. Teils dienten sie auch der Landgewinnung bzw. der Urbarmachung von Gebieten. Der Schutz von Landflächen vor Sturmfluten und Binnenhochwasser machte viele Gebiete erst bewohnbar. Die Deichverbände waren Eigentümer der Deichgrundstücke, die sie zur Nutzung an einzelne Siedler vergeben konnten (Stavenrecht), denen damit zugleich die Deich- und Wegeunterhaltungspflichten oblagen. So konnten dort Dörfer und Städte entstehen. Gleichwohl gab es immer wieder Sturmfluten, die Deiche durchbrachen.
Die Verbände erfüllen ihre Aufgaben inzwischen gemeinnützig im weitesten Sinne, unter spezieller Einbeziehung des Umweltschutzes.
Organisation
In der Urform waren diese Verbände lose Interessengemeinschaften. Erst das zunehmende Gemeinschaftsinteresse führte zu verbandsartigen, selbstverwalteten Zusammenschlüssen in zunächst nur freiwilliger, aber schon bald zwangsweiser Mitgliedschaft. Die Mitgliedschaft orientierte sich dann, bis heute andauernd, an den Schutzinteressen der jeweiligen Mitglieder. Das verdeutlicht ein übersetztes Zitat aus dem Sachsenspiegel (Rechtsbuch 13. Jahrhundert):
- Dörfer, die am Wasser liegen und einen Deich haben, sollen ihren Teil des Deiches instand halten. Kommt aber die Flut und bricht den Deich, dann sind alle Anlieger zur Mitarbeit bei der Wiederherstellung verpflichtet. Wer seinen Beitrag nicht leistet, hat das Recht an seinem Eigentum hinter dem Deich verwirkt.
Karl der Große hat zu seiner Zeit die vielen uneinheitlichen Rechtsformen, in denen die Verbände organisiert waren, sammeln und in der Lex Frisionum zusammentragen lassen. Auch danach bestanden in den verschiedensten Herrschaftsgebieten und Herrschaftsformen viele verschiedene Rechtsformen fort, denen allein die Zielsetzung gemeinsam war; siehe z. B. Spadelandsrecht. Erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts gelang es langfristig, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, einheitliche Rechtsformen zu finden. In dieser Zeit waren die Verbände oft noch in der Rechtsform einer Genossenschaft organisiert, so etwa bei der Meliorationsgenossenschaft Bruchhausen-Syke-Thedinghausen. Heute richtet sich die Organisation nach den allgemeinen Regeln für Wasser- und Bodenverbände, die von dem jeweiligen Bundesland vorgegeben werden. Dies gilt insbesondere für die Küstenländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und die Freie Hansestadt Bremen. Deichverbände agieren oder agierten aber mancherorts in einem juristisch unklaren Umfeld.
Ein Dezernat in Nordrhein-Westfalen schrieb am 15. Mai 1990, zwei Tage nach der NRW-Landtagswahl und 26 Monate nach dem großen Rheinhochwasser 1988 in einem Lagebericht zur damaligen Organisation des Hochwasserschutzes am Niederrhein:
Eckhard Uhlenberg (CDU), von Herbst 2005 bis zur Landtagswahl NRW 2010 Umweltminister des Landes NRW, konstatierte:
Sonstiges
Fachbegriffe
Einige (Fach-)Begriffe im Zusammenhang mit Deichverbänden und ihren Gremien sind historisch überkommen und klingen eigentümlich, weil sie heute nicht mehr bekannt sind.
Ein Deichverband besteht in der Regel aus verschiedenen Gremien:
- Mitgliederversammlung:
- Versammlung der Verbandsmitglieder. Sie hat keine unmittelbare Beschlusskompetenz. Sie wählt den Verbandsausschuss bzw. Erbentag.
- Verbandsausschuss / Erbentag:
- Parlamentarisches Gremium, höchstes Beschlussorgan; regelt die Grundzüge der Arbeit.
- Deichstuhl:
- Verbandsvorstand. Er ist zuständig für die laufenden Geschäfte und die Verwaltung.
- Deichgraf / Deichgräf / Deich-Hauptmann
- In Ostfriesland: Oberdeichrichter
- Vorsteher und Repräsentant des Verbandes.
- Heimrat
- Vorstandsmitglied, das oft einen Teil bzw. Bezirk des Verbandsgebietes betreut und vertritt.
Der Verband gibt sich eine Satzung, die Einzelheiten der Organisation und Struktur festlegt.
Daseinsvorsorge – Aufgabe der Gebietskörperschaften
Hochwasserschutz (geplant u. a. in Hochwasserschutzkonzepten) ist im Rahmen der Daseinsvorsorge eine wichtige Aufgabe aller Gebietskörperschaften im potentiellen Hochwasserbereich eines Gewässers. Sie erfordert in der Regel die Zusammenarbeit mehrerer Gebietskörperschaften. Als Beispiel sei der Hochwasserschutz am Niederrhein genannt. Der Rhein ab Bonn flussabwärts (Niederrhein) fließt durch so flaches Gelände, dass sein Umland durchgängig durch Deiche geschützt werden muss.
Zwischen Bonn und der Grenze zu den Niederlanden sind zwölf Gebietskörperschaften involviert:
- Kreis Kleve (links rechts)
- Kreis Wesel (links rechts)
- Duisburg (links rechts)
- Krefeld (links)
- Rhein-Kreis Neuss (links), Düsseldorf (rechts), Kreis Mettmann (rechts)
- Köln (links und rechts), Leverkusen (rechts)
- Rhein-Erft-Kreis (links)
- Rhein-Sieg-Kreis (links und rechts)
- Bonn (links und rechts)
Sie gehören teils zum Regierungsbezirk Köln, teils zum Regierungsbezirk Düsseldorf. Zudem ist das Land NRW befasst. Es arbeitet unter anderem in der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins und in der deutsch-niederländischen Arbeitsgruppe Hochwasser mit.
Die Bezirksregierung Düsseldorf schreibt dazu auf ihrer Homepage:
Siehe auch
- Deich- und Hauptsielverband Wilstermarsch
- Deich- und Sielverband St. Jürgensfeld
Weblinks
- Liste der Deichverbände von Niedersachsen und Bremen
- Nordrhein-Westfalen:
- duisburg.de: Deichverbände am Niederrhein
- www.deichverband-bislich-landesgrenze.de
- www.voerde.de/deichverband-mehrum (Voerde)
- www.deichverband-kleve-landesgrenze.de (Kranenburg)
- www.deichschau-dueffelt.de (Kranenburg-Nütterden)
- www.deichschau-kranenburg.de (Kranenburg)
- Bezirksregierung Düsseldorf: Was ist ein Deichverband
- Deichverband Xanten - Kleve
- www.deichverband-poll.de (Wesel-Büderich)
- Deichverband Meerbusch-Lank
- Deichverband Dormagen/Zons
- www.wassernetz-nrw.de
Literatur
- Arnulf Rapsch: Wasserverbandsrecht. München 1993, ISBN 3-406-37534-0.
- Michael Reinhardt, Frank Hasche (Hrsg.): WVG – Wasserverbandsgesetz. Kommentar. 1. Auflage. Verlag C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61573-3.
- im Zusammenhang mit der Entwicklung des Deichrechts: Deich- und Hauptsielverband Dithmarschen (Hrsg.): Chronik des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen, Band I: Geschichtliche Darstellung, Rechtsgrundlagen, Entstehung von Wasser- und Bodenverbänden und verbandliche Aktivitäten. 2. Auflage. Hemmingstedt 2008, S. 55–57.
Fußnoten




